Das 'FUTURE IS PAST' Mural von Hendrik Beikirch
- redtowerfilms
- 28. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Juli
Die großformatige Wandgestaltung des Künstlers Hendrik Beikirch auf dem Gelände des heutigen A4 Gewerbeparks in Chemnitz ist der neueste Beitrag zu unserem Public Mural Programm. Die Arbeit ist eine tiefgründige Hommage, das die Betrachter einlädt, sich mit einem entscheidenden Kapitel der deutschen Geschichte – der friedlichen Revolution und den darauffolgenden Umbrüchen – auseinanderzusetzen.
Im Zentrum des Kunstwerks steht eine künstlerische Interpretation einer Brigade des letzten Arbeitskollektivs der VEB Numerik „Karl Marx“ aus dem Jahr 1988. Dieses Bild ist eine Momentaufnahme aus einer Zeit, in der das Arbeitskollektiv das Rückgrat des gesellschaftlichen und beruflichen Lebens in der DDR bildete. Kollektive wie dieses waren nicht nur Orte der Arbeit, sondern auch des sozialen Miteinanders. Sie verkörperten die Ideologie des Sozialismus, sollten zur Erziehung im Sinne des Staates beitragen und zur Planerfüllung motivieren. Trotz des oft spürbaren ideologischen Drucks boten diese Gemeinschaften vielen Menschen auch Rückhalt, Solidarität und persönliche Freundschaften, die im oft beengten Alltag der DDR eine wichtige Rolle spielten. Das Kollektivprinzip durchdrang alle Lebensbereiche – vom Kindergarten über die Schule bis hin zu Freizeitgruppen.

Der VEB Numerik „Karl Marx“ in Karl-Marx-Stadt war ein technologisch führendes Unternehmen der DDR, spezialisiert auf die Entwicklung und Produktion elektronischer Steuerungen für den Maschinenbau. Mit rund 2600 Mitarbeitern im Jahr 1989 spielte der Betrieb eine zentrale Rolle bei der Automatisierung der DDR-Industrie und exportierte seine Produkte in zahlreiche sozialistische Länder. Seine Geschichte ist exemplarisch für die industrielle Entwicklung der DDR.
Mit der deutschen Wiedervereinigung standen Unternehmen wie der VEB Numerik vor immensen Herausforderungen. Der Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft führte zu einem drastischen und schnellen Personalabbau. Aus dem VEB Numerik „Karl Marx“ wurde am 18. Juni 1990 die Numerik GmbH, die sich plötzlich im harten Wettbewerb mit westlichen Unternehmen wiederfand. Die Folgen waren verheerend: Von 2600 Mitarbeitern im Jahr 1989 blieben 1990 nur noch 1200, und bis 1992 wurden weitere Stellen abgebaut. Die Produktion der einst so wichtigen Numerik-Produkte wurde größtenteils eingestellt.

Diese massiven Veränderungen lösten bei vielen Ostdeutschen ein sogenanntes „Wendetrauma“ aus. Der plötzliche Verlust von Arbeitsplätzen, die für viele nicht nur den Broterwerb, sondern auch einen zentralen Teil ihrer Identität und ihres sozialen Status darstellten, führte zu tiefgreifenden Existenzängsten, Unsicherheit und dem Gefühl des Verlusts von Würde und Lebensentwurf. Die ökonomische Unsicherheit und die sozialen Umbrüche waren zudem Nährboden für politische Veränderungen und den Anstieg rechtspopulistischer Tendenzen. Die Aufarbeitung dieser komplexen Erfahrungen dauert bis heute an.
Hendrik Beikirchs Wandgestaltung auf dem ehemaligen Numerik-Gelände (der heutige „A4 Gewerbepark) ist somit ein starkes visuelles Statement in Erinnerung an die Menschen, die einst die industrielle Landschaft der DDR prägten, und an die tiefgreifenden Umbrüche, die sie durchlebten. Das Kunstwerk mahnt, die sozialen und psychologischen Folgen des strukturellen Wandels nicht zu vergessen und würdigt die Biografien derer, deren Leben durch die deutsche Einheit unwiderruflich verändert wurden. Es ist eine Einladung zur Reflexion über Identität, Arbeit und gesellschaftlichen Wandel.
Vielen Dank an Elia Horbert aus Koblenz, der Hendrik Beikirch künstlerisch unterstützt hat, Jürgen Feuerstein und das Team MOLOTOW für die Premium Sprühdosen sowie Tilman Weigel und die CIS Immobilien Service GmbH für die Bereitstellung der Flächen und die Untersützung!

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